Im Winterzwergstaat

„Skiurlaub im Fürstentum Liechtenstein“

Bild-Text Reportage eines Familien-Winterurlaubs in Malbun, Liechtensteins einzigem Hochgebirgstal.

Winterreise in der LUNA 54 Bildschirmfoto 2018-05-14 um 23.57.25

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„Im Winterzwergstaat“

Skiferien im kleinen Liechtenstein? Klingt erst einmal exotisch. Doch unsere Autorin Doro Gottwald war begeistert von der Schneeidylle und erlebte einen tiefenentspannten Familienurlaub

 

Familienhotels? Niemals!“ Und jetzt das. Mein Schwager ist leider kurzfristig verhindert, Dubai oder Delhi, und meine Schwester fragt, ob wir nicht ihre Winterreise übernehmen wollen. Stornieren wäre doch schade, und unbezahlbar ist es auch nicht. Wir? Skiferien? Meine untrainierten Knie werden sofort weich. Und dann auch noch in Liechtenstein! Zusammen mit Putins im Hotel-Pool oder mit den Trumps anstehen am Salatbuffet? Doch dann höre ich einen Seufzer aus tiefstem Herzen: „Oh bitte, Mama, Papa! Das wäre sooo toll,“ und höre schließlich jemanden – mich – antworten: „Stimmt!“
Vollbepackt mit Taschen, Vorurteilen und einer aufgeregten Tochter samt Freundin auf den Rücksitzen sind wir im Auto unterwegs in unseren ersten gemeinsamen Winterurlaub. Das Ziel heißt Malbun. Val bona: Das gute Tal. Hinter Vaduz fahren wir rauf auf 900 Meter und sehen tief unter uns den Rhein die Grenze ziehen zwischen der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein. Gigantischer Ausblick, leider fehlt noch der Schnee. Doch kurz darauf ein Wetterwunder. Eine Serpentine und einen Straßentunnel später sind wir plötzlich mittendrin im schönsten Winterland. Tief verschneite Berghänge und sich auftürmende Schneemassen, wohin wir sehen. Und es schneit.
Die Straße wird weiß und richtig steil. Gleich haben wir Malbun auf 1600 Metern Höhe erreicht. Weiter geht’s nicht mehr im einzigen Hochgebirgstal und Skigebiet im Fürstentum Liechtenstein.
Wir sind echte Pistentrottel, mein Mann und ich. Leider sind wir übers Rodeln in der Kindheit nie hinausgekommen und Skihotels waren kein Thema, Familienhotels schon gar nicht. Unser Auto parken wir zwischen hohen Schneebergen, sprich den anderen Autos. Auch unseres werden wir eine Woche lang nicht wiedersehen.
Beim Aussteigen hoffen wir angesichts der großen Berge, daß unser Herzklopfen keine Lawine auslöst. Wir taumeln den Mädchen hinterher hinein ins Kinder-Eltern-Haus, mit dem Schlimmsten rechnend. Aber: kein Schneeclown im Foyer! Keine schrillen Comicfiguren an den Wänden? Stattdessen Ruhe, warme Farben, modern-alpines Design zum Wohlfühlen. Beim Einchecken werden die beiden Mädchen schon zum Skikurs angemeldet und die Liftpässe bestellt. Wir müssen uns um rein gar nichts kümmern. „Morgen früh noch zum Skiverleih nebenan, und um 10 Uhr trifft sich alles vorm Hotel. Viel Spaß!“
Ich stehe auf unserem großen Balkon und meine Stimmung hellt sich immer weiter auf. Gigantisch, das Panorama auf die weißen Berge in der Abenddämmerung. Beim Abendessen haben wir einen Tisch am Fenster und verfolgen die Scheinwerfer der Pistenbullis hoch oben in den Hängen beim Präparieren der Skipisten. Das deutsch-niederländische Ehepaar am Nachbartisch – Skitrottel wie wir – hat einen Tipp parat: „Ein bisschen später zum Essen kommen. Dann sind die kleinsten schon im Bett und es wird schön ruhig.“ Und wo sind die großen Kleinen? „Die treffen sich abends immer noch mal in der Fantasiewerkstatt zum Geschichten hören, oder spielen mit den anderen, irgendwas ist immer.“ Die gut gelaunten Betreuerinnen hatte ich vorhin mit Kindern im Schnee toben gesehen.
Am Morgen ist das ganze Dorf in Bewegung. Auf dem Schneeplatz vorm Hotel trifft sich nach dem Frühstück alles, was Ski und Stöcke hat. Dann geht’s ein paar Meter weiter zum vom Schweizer Tourismusverband prämierten „malbi-Park“. Hier teilen die stimmungsmäßig prächtig aufgelegten Skilehrer die Kinder zwischen 4 und 14 Jahren in blaue, rote und schwarze Prinzessinnen und Prinzen ein. Stimmt, wir sind ja im Fürstentum!
Bei Kaiserwetter sitze ich mit heißem Tee auf unserem Balkon und kann mich nicht sattsehen am Hochgebirgswinter. Malbun ist klein, und so zischen alle Läuferinnen und Läufer nach der Abfahrt von einer der zwölf Pisten wieder durchs Dorf hindurch
direkt an mir vorüber. Auch meine Tochter mit ihrer Skigruppe kommt gerade vorbei. Ich winke wie wild. Sie winkt mit einem Handschuh cool zurück. Das Gewusel im Schnee hat uns angesteckt. In Brosi’s Skiverleih, dem einzigen in Malbun, lassen wir uns mit Schneeschuhen und Stöcken ausrüsten. Der Sessellift bringt uns hoch auf 2000 Meter zum Sareis. Vorher noch einen Café mit Alpenpanorama, und dann los. Wie hatte Brosi uns noch eingeschärft? Den Schuh nicht komplett anheben, sondern das hintere Ende beim Schreiten über den Boden schleifen lassen, über den Schnee „schlürfen“. Das ist nicht ganz unanstrengend, sieht aber sportlicher aus, als es in Wirklichkeit ist. Und macht Spaß. Unsere perfekte Tarnung im Wintersportgebiet.
Kaum sind wir wieder zurück am Hotel, kommen uns die Kinder mit vier Gästeschlitten entgegengelaufen. Also direkt mit dem Lift wieder hoch auf Sareis – Warteschlangen gibt es in Malbun ja keine. In rasender Fahrt geht’s in der Abenddämmerung die vereiste Rodelbahn hinunter. Eine Viertelstunde Nervenkitzel und Geschwindigkeitsrausch, die unser tägliches Ritual zwischen Skischule und Abendessen wird. Mit einer Ausnahme: Am Mittwoch gibt es im Schnee vorm Hotel ein Raclette-Essen am offenen Feuer mit heißem Punsch und Glühwein. Ein echtes Familienevent. Ebenfalls gerühmt in Malbun sind Marthas Käsknöpfli. Das sind eine Art Käsespätzle und im „Martha“ gibt es die Besten. Martha Bühler ist ein echter Promi in Malbun und kann viel erzählen. Zum
Beispiel wie sie als erste weibliche Skiläuferin bei einer Winterolympiade für das Fürstentum gestartet ist. 1968 in Grenoble, mit Abfahrt und Slalom, und 1972 in Sapporo gleich noch einmal.
Unsere Abende im Kaminzimmer und an der Hotelbar sind sehr entspannend und supergemütlich. Sportlicher ist es, wenn man mit einer von Brosi geführten Gruppe auf Schneeschuhen zwei Stunden lang atemlosdurchdienacht die fürstliche Bergwelt erwandert. Unsere nimmermüden Mädchen sind auch dabei und schweben begeistert
mit ihren hobbitgroßen Schneeschuhfüßen über den eineinhalb Meter dicken Schnee. Die Stirnlampen schalten wir irgendwann aus. Über uns nur der Mond und die Sterne und um uns eine unwirkliche Hochgebirgslandschaft in Schnee und Nacht.
Noch einmal anders erleben wir eine solche Bergnacht mit Erlebnisführerin Rosaria Heeb bei der Vollmondschneeschuhwanderung hinauf zur Alpe Sücka. Im Dunkeln stapfen wir über unberührten Tiefschnee steile Almwiesen hinauf durch Winterluft und Mondenschein. Als Rosaria mitten im Nirgendwo in der stillen Winternacht heißen Rooibuschtee und Salzmandeln verteilt, ist die Stimmung fast feierlich. Keuchend und dampfend erreichen wir nach einer guten Stunde den Gasthof Sücka. Drinnen Licht, Wärme, Menschen, laute Stimmen, und 10 Variationen Käsefondue. Tiefer als die Schneeschuhe im Schnee versenken wir Brotstücke und Kartoffeln im unfassbar leckeren Käse. Und zum guten Schluss: die wilde Abfahrt mit den Hausschlitten auf der beleuchteten Straße runter von der Alpe bis zum Parkplatz im Tal. Ein perfekter Bergwinterabend.
Höhepunkt vor der Abreise ist das Abschlussrennen der Skischule auf dem Slalomparcours, spannend kommentiert über Lautsprecher. Tolle Stimmung! Wir Eltern feuern an und jubeln mit. Auch bei der Preisverleihung. Später im Auto auf der Rückbank: zwei Ski-Pokale mit zwei superstolzen Kindern. Mein Mann und ich sind in nur einer Woche zu schneebegeisterten Eltern geworden. In Malbun, im „guten Tal“.
Winterurlaub in Malbun

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